Auf den Spuren des frühen Bergbaus am

Rammelsberg bei Goslar

Schätze aus den Meerestiefen

 Die Blei-Zink-Kupfer-Lagerstätte des Rammelsberges, die sich unter submarinen Verhältnissen als schichtgebundene Sulfidvererzung vor ca. 380 Mio. Jahren in einem mitteldevonischen Meeresbecken bildete, ist mit ca. 27 Mio. t Gesamtroherzgehalt in seiner engräumig kompakten Form sicherlich eine der größten Lagerstätten seiner Art weltweit gewesen. Das Buntmetallvorkommen bestand vor dem Abbau im Wesentlichen vor allem aus zwei großen linsenförmigen Reicherzkörpern, dem so genannten "Alten" und "Neuen Lager. Die Bezeichnung "Altes" und "Neues Lager" ist keine geologische Zeiteinstufung, sondern geht auf die Entdeckungs- und Abbaugeschichte zurück. Das Alte Lage", das über Tage am Berghang direkt zugänglich anstand, begründete die über 2000-jährige Abbautradition am Rammelsberg und ist daher im Wesentlichen das Vorkommen, das für die montanarchäologische Erforschung der Anfänge der Erzgewinnung relevant ist, während das untertägig verborgene "Neue Lager" erst 1859 entdeckt und in Abbau genommen wurde.

 Entsprechend der primärgenetischen Verhältnisse wurden die Erzsorten vom geologisch Älteren zum Jüngeren geschichtet in folgender Weise abgelagert: Schwefelerz (Pyrit), kiesiges Erz (Pyrit, Kupferkies), Braun- und Melierterz (Zinkblende, Bleiglanz, Pyrit, Kupferkies), barytisches Blei-Zink-Erz (Zinkblende, Bleiglanz, Pyrit, Baryt) und Grauerz (Baryt, Bleiglanz, Zinkblende).



Die polymetallische Erzlinse des mit 40 - 60° einfallenden Alten Lagers, die eine streichende Tagesausbisslänge von fast 600 m, eine Teufenerstreckung von ca. 300 m und eine Mächtigkeit von ca. 15 m aufwies, war nicht homogen aus  konstanten Volumenverhältnissen der verschiedenen Erzanteile aufgebaut. Entsprechend den primären genetischen Rahmenbedingungen auf dem Grund des Devonmeeres wurden in zeitlicher Abfolge aus den aus tief reichenden Brüchen geförderten hydrothermalen Lösungen unterschiedliche Metallkonzentrationen und -verhältnisse abgeschieden, was zu einem feinlamellierten Schichtungsgefüge verschiedener Erzminerale, wechsellagernd mit feinkörnigem Sediment, führte.

 Zweifelhafte historische Interpretationen

 Bis vor wenigen Jahren galt die Überlieferung, um 968 n.Chr. seien unter Otto I. Silberadern am Rammelsberg entdeckt worden, als historische Tatsache. Grundlage für diese Auffassung war die Erwähnung in der Chronik des Widukind von Corvey, dass Otto der Große "im Sachsenland Silberadern geöffnet" habe (“in Saxonia venas argenti aperuit“). Dem entgegen standen die Ergebnisse der Grabungen 1981-1985 im frühmittelalterlichen Herrensitz von Düna bei Osterode, die erstmals eine sichere Datierung für die Verwendung Rammelsberger Kupfererze bereits in den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt belegen konnten. Mit zunehmend intensiver Erforschung des Harzes und seiner montanarchäologischen Überreste verdichten sich die Hinweise auf die frühe Nutzung der Rammelsberg-Lagerstätte zur Gewinnung von Kupfer, während die in ottonischer Zeit erwähnten Silberadern vor allem auf die Ganglagerstätten des Oberharzes zu beziehen sind. Geochemische Untersuchungen an Okersedimenten bei Wolfenbüttel, vielleicht auch Blei-Isotopen-Analysen an bronzezeitlichen Funden aus dem Gräberfeld Müllingen bei Hannover sind Hinweise auf eine frühere Ausbeutung des Rammelsberges, dessen Erze spätestens seit der Zeit um Christi Geburt über weite Strecken zur Verhüttung – zur Holzkohle - transportiert wurden.

Einen gewissen Höhepunkt erfährt die Nutzung Rammelsberger Erze im 10. Jahrhundert n. Chr. Für diese Zeit lassen sich spezialisierte Hütten im Harzgebirge selbst lokalisieren, die in ausgeklügelten Verfahren aus den Rammelsberger Erzen Kupfer produzierten. Im 12. Jahrhundert sind in der nun einsetzenden schriftlichen Überlieferung ebenso wie im archäologischen Befund strukturelle und technische Änderungen des bis dahin vermutlich unter kaiserlicher Regie stehenden Bergbaus zu erkennen. Eine Aufteilung der Lagerstätte – u. a. besitzen die Zisterzienser aus dem Kloster Walkenried Anteil daran  – bringt entscheidende Fortschritte in den Abbaumethoden mit sich. So werden die vom Wasser bedrohten Gruben durch Anlage von Stollen entwässert und somit der Erzabbau weiterhin ermöglicht. Etwa seit dem Ende des 13.Jahrhunderts erfährt diese Produktion einen Niedergang, der sich auch aus den schriftlichen Quellen erschließen lässt. Ursachen hierfür dürften die sich verschlechternde Qualität der im Rammelsberg zugänglichen Erze und bessere Möglichkeiten des Kupferimports u. a. aus Skandinavien gewesen sein. Letztlich wird seit dem 14./15. Jahrhundert auf Grund neuer Raffinationsverfahren, wie dem Seigerprozess, das Rammelsberger Bleierz trotz geringer Silberanteile zum begehrten Rohstoff und so zur Grundlage des wirtschaftlichen Aufschwungs in der frühen Neuzeit.

 

Archäologische Vorerkundung: auf den Spuren des Ritter Ramm

 In den Jahren nach 2001 ließ sich ein schmaler Bereich im Südwest-Abschnitt des übertägig abgebauten und verfüllten Alten Lagers herausarbeiten, der durch den modernen Tagebau – die so genannte „Schiefermühle" – in den letzten Jahrzehnten erneut angeschnitten wurde. Die „Schiefermühle" ging erst in den 1950er Jahren aus einem zunächst untertägigen Nebengesteinsabbau als Tagebau hervor und diente bis zur Einstellung des Erzabbaus 1988 der Gewinnung von Versatzmaterial für die Verfüllung der untertägig ausgeerzten modernen Grubenbaue.



Am Anschnitt des Alten Lagers


Der etwa 6 m hohe Anschnitt des alten Tagebaus in der südlichen "Schiefermühle" ist bis heute mit Abstand die fundreichste Zone, die im Tagebauaufschluss lokalisiert werden konnte. Ein oberflächennaher und noch erhaltener Verfüllungshorizont ist mit auffallend reichen Bleierzen durchsetzt. Sie bestätigen die auf Grund von Untersuchungen an zeitgenössischen Hüttenplätzen und der Neubewertung historischer Quellen gewonnene Vermutung, dass bis in das 12./13. Jahrhundert unter den polymetallischen Erzen des Rammelsbergs bevorzugt Kupfererze verwendet wurden, während offenbar die silberarmen Bleierze verworfen wurden.



Organisches Fundmaterial in diesem Anschnitt, u. a. Holzgegenstände, Riemen- und Schuhfragmente aus Leder sowie Seil- und Gewebereste, sind auf Grund der Einwirkung schwermetallreicher Verwitterungslösungen in einem auffallend guten Erhaltungszustand. Diesen Konservierungsbedingungen ist der Fund eines Lederschuhfragments zu verdanken, der in die Jahre um 1024 n. Chr. (cal. KIA 17470, 984+-22 BP) datiert ist und, unterstützt durch weitere 14C-Daten zwischen 910 und 960 n. Chr., die chronologische Einordnung des oberflächennahen Verfüllungshorizontes absichert.




In den Bereich der Lagerstätte führt ein hervorragend erhaltener, bisher unbeachteter, in das anstehende Gestein eingetiefter Hohlweg. Talseitig haben sich die Räder der Transportkarren deutlich in den Fels eingeschliffen. Die Spurbreite der Karren betrug 1,42 m.

 

Weitere Untersuchungen an der Kante des Aufschlusses im Sommer 2008 machen das historische Quellenpotenzial, das in der Fundstelle schlummert, deutlich. Nur wenige Dezimeter unter der heutigen Oberfläche markiert eine massive Steinpackung vermutlich den weiteren Verlauf des früheren Weges in Richtung der Erzlagerstätte. Er liegt über ruhigen Sedimentschichten, in denen sich auffallend viele Hölzer, darunter Beilspäne erhalten haben. Die Sedimentschichten fallen im Bereich des Alten Lagers steil in den ursprünglichen Tagebau ab. Diese Schichten sind nach Beendigung der Bergbauaktivitäten an dieser Stelle entstanden und überdecken einen verfüllten Schacht sowie die Bleierzhalde des 11. Jahrhunderts. Aus den Sedimentschichten konnte das Fragment eines Öllämpchens wohl des 15./16. Jahrhunderts geborgen werden, das bisher älteste vom Rammelsberg überlieferte bergmännische Geleucht. Seil- und Lederreste gelangten als Abfall in die Halden und gewähren zusammen mit den bestens erhaltenen botanischen Resten einen Einblick in die Siedlungs- und Umweltgeschichte, die das Bild des Rammelsberges prägte. Die Funde von mehreren Schlagsteinen, die in früher Zeit zum Abbau des Erzes dienten, lassen sich bisher zeitlich nicht näher eingrenzen, da sie am Fuße des Anschnitts als Opfer der stetigen Erosion geborgen wurden, die eine flächenhafte Dokumentation der Fundstelle vordringlich macht.



Seilfragmente, vermutlich aus dem 12. Jh.n.Chr. aus den Verfüllschichten des Alten Lagers (Foto C.S. Fuchs)


Ausblick:

Erstmals zeigen sich die Lagerstätten des Harzes in einer Forschungssituation, die es ihnen erlauben könnte, neben den konventionell immer noch mehr in das Licht gerückten südeuropäischen Lagerstätten, endlich die Vorstellungen von der frühen Metallurgie mit zu bestimmen. Das Quellenpotential der offen liegenden Fundstelle am Alten Lager des Rammelsbergs ist ungeheuerlich, die Funderhaltung selbst für organisches Material lässt keine wissenschaftlichen Wünsche offen und kann mit der viel gerühmten Feuchtbodenerhaltung konkurrieren, wie schon seit langem von den Ausgrabungen an frühen Hüttenstätten im Harz bekannt ist. Will man ehrlich den allgemeinen Vorstellungen zur Verbreitung der Metalle im mitteleuropäischen Raum zu Leibe rücken, will man die Klima-, Landschafts- und Vegetationsgeschichte anhand materieller Hinterlassenschaften studieren oder will man die Wirtschafts- und Technikgeschichte Mitteleuropas erkunden, führt keine objektive Studie am Alten Lager des Rammelsberges, das noch allen Untersuchungen offen liegt und dem die natürliche Erosion stetig Schaden zufügt, vorbei.

 

Fur die tatkräftige und konstruktive Unterstützung bei den Projekten seit dem Jahre 2001 danke ich der Bergbau Goslar GmbH.